Georgios Chatzigiannakis - der Pionier der regionale Küche auf Santorini

Georgios Chatzigiannakis hat als einer der ersten Gastronomen auf regionale Küche gesetzt und sie auf die Karte seines Restaurants in Santorini gesetzt. In unserem Interview erzählt er von den Anfängen seines Restaurants.

Schon als Kind liebte er gutes Essen. Später waren seine Partys, die er in Athen veranstaltete, legendär, nicht nur wegen der guten Stimmung, sondern auch wegen des besonders guten Essens. „Kochen für meine Freunde und meine Reisen, das sind die zwei schönsten Dinge, die ich in meinem Leben gemacht habe, das Kochen selbst empfinde ich ebenfalls als Reise, ein spannender Weg mit überraschendem Ziel. Jedesmal.“, sagt Georgios Chatzigiannakis in unserem Interview. Chatzigiannakis ist Inhaber des Restaurants Selene auf Santorini und eine einflussreiche Persönlichkeit in der griechischen Gastronomieszene. Als einer der Ersten hat er in seinen Restaurants auf regionale Produkte gesetzt. Etwas, was mittlerweile schon fast selbstverständlich ist. Der griechische Gastronomieführer FNL hat ihm 2016 den Best Restaurant Award für seine Speisekarte verliehen. Chatzigiannakis hat Wirtschaftswissenschaften studiert, zum Kochen hat ihn seine Liebe zu gutem Essen gebracht. Bei seinen ersten Schritten auf dem Gebiet der Kulinarik hat eine Deutsche eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.

Atemberaubend, der berühmte Sonnenuntergang auf Santorini, wie ihn die Gäste des Selene bewundern können.© Yiannis Devetzoglou
Atemberaubend, der berühmte Sonnenuntergang auf Santorini, wie ihn die Gäste des Selene bewundern können.© Yiannis Devetzoglou

Sie sind schon länger auf Santorini, was hat Sie dazu bewogen, Athen in seiner besten Zeit zu verlassen?
Seit 1975 verbringe ich Ostern hier, ich habe mich in diese Insel verliebt. Auf Oia gab es damals ein kleines Zimmer, das wir immer gemietet haben. Ein wahrer Luxus, denn die Inselbewohner wohnten zu der Zeit in Höhlen. Die Nachbarschaft war eher ärmlich, Bauern und Matrosen wohnten dort. Aber die Landschaft und der Blick aufs Meer war unbezahlbar, als wäre man in einem Märchen. Andererseits waren diese Ferien auch etwas anstrengend, kein klassischer Erholungsurlaub. Es gab kein fließendes Wasser und keine Tavernen in der Nähe, um etwas zu essen. Jeden Tag mussten wir zum Essen kilometerweit durch die felsige Gegend fahren. Und gestunken hat es auch, auf Oia gab es damals keine Toiletten

Und was gab es zum Essen?
Fava, Tomatokeftedes (frittierte Tomatenbällchen) und Eier. Jeden Tag. Es gab nichts Anderes. Santorini ist eine sehr trockene Insel, die Ernten waren ziemlich karg. Wenn jemand zum Fischen fuhr, gab es auch mal einen Fisch zum Essen. Aber besonders lecker war es nicht. Maroulia, bei der wir das Zimmer gemietet hatten, war eine furchtbare Köchin und sie hatte auch nicht besonders viel Zeit, sich darum zu kümmern.

Georgios Chatzigiannakis führt uns durch sein Restaurant Selene © Yiannis Devetzoglou
Georgios Chatzigiannakis führt uns durch sein Restaurant Selene © Yiannis Devetzoglou

Wie sah die erste Speisekarte des Selene aus?
Gerichte mit Orangensauce wie Ente á l’orange, Filet á la Créme und Moussaka, keine Fava aus Santorini. Die Küche des Restaurants war eher für griechische Gäste gedacht, die verrückt nach Gerichten aus dem Ausland waren. Später wurde uns allerdings klar, dass die griechischen Gäste nur ca. 40 Tage auf der Insel verbrachten, hauptsächlich im August.

War das Restaurant zentral gelegen?
Die erste Selene war in Fira (Hauptstadt) allerdings ziemlich abgelegen. Ich eröffne nie im Zentrum oder in hoch frequentierten Lagen. Ich möchte meine Gäste durch meine Arbeit überzeugen, sie sollen gerne zu mir kommen, auch wenn mein Restaurant nicht im Zentrum ist. Das mache ich bis heute so. Damals waren wir kein Lokal der gehobenen Klasse, auch wenn der Innenraum sehr schön war. Er ähnelte einem Theater und bot einen schönen Blick auf den Vulkan.

Das Selene in Santorini kann auf eine 31jährige Geschichte zurückblicken. © Yiannis Devetzoglou
Das Selene in Santorini kann auf eine 31jährige Geschichte zurückblicken. © Yiannis Devetzoglou

Wie sah die erste Speisekarte des Selene aus?
Gerichte mit Orangensauce wie Ente á l’orange, Filet á la Créme und Moussaka, keine Fava aus Santorini. Die Küche des Restaurants war eher für griechische Gäste gedacht, die verrückt nach Gerichten aus dem Ausland waren. Später wurde uns allerdings klar, dass die griechischen Gäste nur ca. 40 Tage auf der Insel verbrachten, hauptsächlich im August.

War das Restaurant zentral gelegen?
Die erste Selene war in Fira (Hauptstadt) allerdings ziemlich abgelegen. Ich eröffne nie im Zentrum oder in hoch frequentierten Lagen. Ich möchte meine Gäste durch meine Arbeit überzeugen, sie sollen gerne zu mir kommen, auch wenn mein Restaurant nicht im Zentrum ist. Das mache ich bis heute so. Damals waren wir kein Lokal der gehobenen Klasse, auch wenn der Innenraum sehr schön war. Er ähnelte einem Theater und bot einen schönen Blick auf den Vulkan.

Wie haben Sie die Griechen überzeugt, Fava zu essen?
Ich habe sie nicht überzeugt. Wir haben auf die Wünsche unserer Gäste und auf ihre Vorlieben geachtet. Restaurantleiterin war damals eine Deutsche, die mit einem griechischen Archäologen verheiratet war. Sie kannte sich in der Küche der Insel aus, kannte die regionalen Zutaten und Rezepte. Sie hat mich in Kontakt mit Köchinnen aus Santorini gebracht und ich habe angefangen, mich mit der Inselküche und den lokalen Erzeugnissen zu beschäftigen. Zu der Zeit war es ziemlich aufwendig und teuer Filets nach Santorini zu bringen, der Transport aus Athen war teuer und es fehlte an ausreichend Kühlmöglichkeiten.

Welche Gerichte bestellten die Touristen bei Ihnen?
Die Touristen haben sich überhaupt nicht für Filet interessiert und Ente in Orangensauce. Das haben wir zum Glück recht schnell festgestellt. Sie verlangten nach regionaler Küche, Santorini-Küche. Wie sollten wir damit umgehen? Darüber waren wir uns mit meinen Geschäftspartnern nicht einig. Ich habe dann das ganze Risiko auf mich genommen und Fava (Rezept für klassische Fava) auf die Karte gesetzt. Fava allein schmeckt allerdings nicht, sie muss mit anderen Zutaten kombiniert werden. Ich wollte dabei den Geschmack nicht verfälschen und das typische Aroma von Fava unbedingt erhalten, damit der Gast aus dem Ausland sie wiedererkennen kann. 

Kur vor Sonnenuntergang, die Vorbereitungen für den Abend beginnen im Selene © Yiannis Devetzoglou
Kur vor Sonnenuntergang, die Vorbereitungen für den Abend beginnen im Selene © Yiannis Devetzoglou

Sie haben also regionale Zutaten aus wirtschaftlichen Überlegungen auf die Karte genommen, weil Ihre Gäste danach verlangten?
Richtig. 1987 habe ich mich entschlossen, zwei Speisekarten anzubieten: eine mit der Inselküche Santorinis für Touristen und eine mit moderner internationaler Küche für die griechischen Gäste. Das Problem war nur, welcher Koch sollte das übernehmen? Eine Ausbildung für Köche gab es damals nicht wirklich in Griechenland, keine Schulen, in denen ich nach passenden Kandidaten hätte suchen können. Mit unseren ersten Dips, die wir servierten, konnten wir die Vorlieben unserer Gäste beobachten. Wir boten einen Dip aus Santorini-Tomaten an, einen mit Tahin (Sesammus) und eine Kopanisti (pikanter Fetadip). Die Amerikaner bevorzugten den Dip mit Tahin, er erinnerte sie an Erdnussbutter, die Franzosen begeisterten sich für Kopanisti, da strengen Käsearomen und Ziegenkäse aus der Heimat vertraut sind. Und wer sollte nun Fava essen? Die einfache Fava, warm mit Zwiebeln und vielleicht ein paar Kapern, mochte niemand so richtig.

Wie haben Sie das Problem lösen können, wie haben Sie Ihre Gäste überzeugt?
Im Jahr darauf haben wir bei einheimischen Familien nach Rezepten gefragt. Dabei stieß ich auf interessante Rezepte, die sich gut weiter entwickeln ließen. Wir servierten Fava mit einem Topping aus Tomatensugo und reichlich Kapern. Unsere Gäste waren verrückt danach. Kapern waren damals so etwas wie Kaviar für unsere amerikanischen Gäste. Wir haben in dieser Zeit viel dazugelernt, vor allem wie wir regionale Spezialitäten am besten anbieten.

 

Heute auf der Karte des Selenes

Wann stellten Sie Ihren ersten Küchenchef ein?
Das war 1990. Griechische Köche, die meine Ideen verstanden und entsprechende Gerichte hätten kreieren können, konnte ich nicht finden. Der erste Chefkoch war Chrysanthis Karamolengos. Wir haben uns nach zwei Jahren wieder getrennt und so stand ich plötzlich ohne Koch da. Meine Frau musste ihre Arbeit in Athen aufgeben, damit ich die Eröffnung für die Sommersaison an Ostern stemmen konnte. Parallel zum Restaurantbetrieb hatte ich nämlich das Catering des Veranstaltungszentrums in Santorini übernommen. Am Ostermontag traf ich zufällig auf einen jungen Mann mit Rucksack, er fragte mich, ob er als Koch für mich arbeiten könne. Er war gerade auf Santorini angekommen und suchte nach Arbeit. Scot war damals gerade 19 Jahre alt, kam aus Australien, konnte kein Griechisch, aber er war ausgebildeter Koch und sehr talentiert. In nur zwei Tagen beherrschte er alle Gerichte, die wir damals anboten und setzte gleich drei eigene Kreationen auf die Karte. Und so fing eine neue Epoche für das Selene an, 92 war das damals. Die Zusammenarbeit mit Scot war einfach wunderbar, ich wollte nie wieder einen griechischen Koch einstellen. Wir hatten ein gutes Verhältnis und Scot verstand es, meine Ideen und Vorstellungen auf den Teller bringen. Wir haben sehr viel experimentiert und Selene wurde das beste Restaurant auf Santorini.

Welche Rolle hat der mittlerweile weltberühmte Wein aus Santorini bei dieser Entwicklung gespielt?
Der Wein hat eine große Rolle gespielt, wahrscheinlich die zentrale Rolle beim Wachstum der Gastronomie auf der Insel, aber auch für den Ruf regionaler Produkte. Ohne Jannis Boutaris (einer der größten griechischen Weinproduzenten und Thessalonikis Bürgermeister) bin ich mir nicht sicher, ob unser Wein heute so einen guten Ruf hätte. Er hat viel für den Wein Santorinis gemacht. Der Import brachte damals Produkte aus dem Ausland auch nach Santorini und deren Preis war trotzdem günstiger als unsere heimischen Produkte. Ich habe Fotos von Händlern, die dänischen Käse auf ihren Maultieren transportierten, um ihn später Touristen als griechischen Feta zu verkaufen.

Was sagen Sie, interessieren sich Touristen für gutes Essen?
Sicher nicht alle. Unsere amerikanischen Gäste sind Feinschmecker und interessieren sich ganz besonders für regionale Spezialitäten. Sie wissen, dass die Küche eines Landes ein Kulturgut ist. Viele Deutsche zögern zu viel Geld für Essen auszugeben, sie geben sich auch mit etwas Mittelmäßigem zufrieden. Damit will ich aber nicht sagen, dass ich keine deutschen Gäste habe, die ausgesprochene Feinschmecker sind. Ich denke, es ist auch immer eine Frage der Bildung.

Und wie stellen Sie sich die Zukunft für Ihr Restaurant Selene vor?
Selene ist heute in ganz Griechenland und darüber hinaus für seine moderne griechische Küche. In der Küche arbeiten zwei bekannte Köche: Alex Tsiotinis und Panos Tsikas. Meine Philosophie ist immer noch die gleiche geblieben. Für das Selene wünsche ich mir die besten Chefköche, die auf eine regionale Küche achten und sie weiterentwickeln. Ich bin glücklich, Sofia Tsara an meiner Seite zu wissen, sie leitet das Restaurant und ist die Sommelière des Selene, schon seit vielen Jahren. Langfristige Beziehungen sind mir immer wichtig.

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